Institute for Integrative Psychotherapy

Psychothérapie Intégrative Articles



Die Psychotherapie unbewusst gebliebener Erfahrungen [1]

Richard Erskine

Die Feststellung (das Theorem) von Sigmund Freud, dass das Unbewusste Motivation und Verhalten bestimmt, war vor einem Jahrhundert eine revolutionäre Feststellung. Heute mag diese selbe theoretische Formulierung gleichermaßen zutreffend sein, wenn es um das Verständnis für den Beweggrund (Motivation) und das daraus folgende Verhalten geht. Aber gegenwärtige Konzeptionalisierungen bezüglich der Dynamik „unbewusster“ Erfahrungen haben ihren Fokus verlagert. Es geht nicht mehr primär um die Verdrängung und deren Abwehrcharakter; man legt viel mehr das Augenmerk auf die frühkindliche Entwicklung und neurologische Befunde. Aufgrund der aktuellen neurologischen Forschung und der daraus folgenden psychologischen Theoriebildung gehe ich nicht mehr von einem dynamischen Unbewussten aus, das ausschließlich durch die Verdrängung im Dienste der Abwehr gebildet wird. Vielmehr ist es für mich Ausdruck neurologischer Verarbeitung signifikanter Erfahrungen, die dann wieder die frühkindliche Entwicklung beeinflussen (Bucci 1997, Fosshgae 2005, Howell 2005, Kihlstrom 1984, Lyons-Ruth 1999, Orange, Atwood & Stolorow 1997, Siegel 2003).

Freud nahm an, das „Unbewusste“ sei eine Art Verlies im psychischen Apparat, in dem konflikthafte Erfahrungen aufgehoben und vergessen wurden. Dieses „dynamische Unbewusste“ war das Ergebnis der Verdrängung, der Freud (1900, 1915) die Aufgabe der Abwehr zugeschrieben hatte. Ian Suttie (1935/1988), ein früher Vertreter der Objektbeziehungstheorie, beschrieb solcherart Verdrängung als einen „gänzlich unbewussten Prozess“ und unterschied ihn von der „Unterdrückung“, die eine bewusste Reaktion auf Zwang ist (S. 97). Verdrängung hingegen, insbesondere von unerträglichen Affekten und traumatischen Erfahrungen des Selbst mit anderen, bedeutet, dass diese Erfahrungen nicht ins Bewusstsein gelangen. Andere das Selbst schützende Abwehrmechanismen können mit der Verdrängung einhergehen und sie verstärken. Dazu gehören: Desensibilisierung, Verleugnung, Dissoziation, Isolierung.

Durch die Arbeit mit meinen Klienten in meiner psychotherapeutischen Praxis – besonders mit jenen, die sehr schlimm oder wiederholt traumatisiert wurden – wurde mir klar, dass bestimmte Erinnerungen, Fantasien, Gefühle und Körperreaktionen verdrängt werden, weil sie Beziehungserfahrungen ins Bewusstsein heben könnten, in denen körperliche und Beziehungsbedürfnisse regelmäßig ungestillt blieben. Der dazugehörige Affekt konnte nicht integriert werden, weil die signifikante Person die stimmige Response regelmäßig verfehlte (Erskine 1993/1997, Erskine, Moursund & Trautmann 1999, Lourie 1996, Stolorow & Atwood 1989, Wallin 2007).

Als Winnicott (1974) über die „Angst seiner Klienten vor einem Zusammenbruch“ schrieb – was bedeutete, dass es zu einer Regression auf das Niveau der frühen Kindheit käme und zu den damals gemachten emotional belasteten Erlebnissen –, verließ er die klassische psychoanalytische Theorie, derzufolge das dynamische Unbewusste sich aus unterdrückten Trieben und konfliktuösen Erfahrungen zusammensetzte. <Er beschrieb das Unbewusste als die Unfähigkeit des Ichs, intensive emotionale Erfahrungen zu verarbeiten/bewältigen.> Im Lichte aktueller neurologischer und entwicklungspsychologischer Erkenntnisse erscheinen Winnicotts Prämissen über die Bildung unbewusster Erfahrungen zutreffend. Heute weiß man, dass der frontale Kortex keine intensiven emotionalen und physiologischen Reaktionen verarbeiten kann, die im aufsteigenden retikulären Aktivierungssystem stattfinden (Cozolino 2006, Damasio 1999, Siegel 2007). Und: Das Bewusstsein ist das direkte Ergebnis der Fähigkeit des Gehirns, Erfahrungen zu symbolisieren (Bucci 2001, Lyons-Ruth 2000).

In der Theorie der Gestalttherapie (Perls, Hefferlein & Goodman 1951) wurde das psychoanalytische Konzept des „Unbewussten“ aufgegeben und durch den „Verlust der Bewusstheit“ ersetzt. Das „Unbewusste“ galt in der Gestalttherapie eher als Prozess und nicht mehr als topisch. Mit anderen Worten, wenn ein Mensch keine Bewusstheit mehr von etwas hat, ist das das Ergebnis fixierter Wahrnehmungen (Gestalten), die den Betreffenden daran hindern, die gemachte Erfahrung auf eine andere Weise zu betrachten; zumindest ist der Prozess erschwert. Der Verlust der Bewusstheit wird durch folgende kontaktvermeidende Mechanismen aufrechterhalten: Retroflexion, Verschmelzung, Introjektion, Projektion und Egoismus. Die Gestalttherapie geht davon aus, dass durch die Integration der Hier-und-jetzt-Bewusstheit fixierte Gestalten aufgelöst werden können und die betreffende Person so sich ihrer gegenwärtigen Erfahrung bewusst werden kann.

Obwohl die meiste transaktionsanalytische Literatur das „Unbewusste“ nicht direkt erwähnt, stellt Berne doch verschiedentlich eine Beziehung zu unbewussten Prozessen her, erwähnt jedoch nur selten den Begriff „unbewusst“. <In seiner ursprünglichen Konzeption der Ichzustände sind sowohl die Bildung als auch der Einfluss von Kind- und Eltern-Ichzustand dem Erwachsenen-Ichzustand nicht bewusst> (Berne 1961). Er übernahm das psychoanalytische Konzept des Unbewussten, veränderte aber die Terminologie. Wenn er über die psychologische Energie (Cathexis) schrieb, bezog er sich auf unbewusst, vorbewusst und bewusst mit den Begriffen gebundene, ungebundene und freie Energie. In der Metapher vom „Affen im Baum“ wird deutlich, dass Bernes Beschreibung der gebundenen Energie für eine emotionale Erfahrung steht, die verschlossen ist und dem Bewusstsein nicht zugänglich. Dies entspricht der Verdrängung bei Freud. Die ungebundene Energie bezieht sich auf Erfahrungen, die unterbewusst oder vorbewusst sind und mit dem richtigen Stimulus dem Bewusstsein zugänglich werden können. Und freie Energie meint bewusste Erfahrung (S. 40 f.).

Wenn Berne von verdeckten (ulterior) Transaktionen spricht, meint er eher die psychologische als die soziale Ebene. Wenn verdeckte Transaktionen vom Kind- oder Eltern-Ichzustand ausgehen, ist es denkbar, dass sich der Erwachsenen-Ichzustand dieser psychologischen Kommunikation nicht bewusst ist. Es handelt sich dann also um eine unbewusste Kommunikation oder zumindest um eine vorbewusste. Hier scheint die psychologische Ebene mit der unbewussten gleichgesetzt zu werden (Berne 1961, S.103 ff., S.124). Die deutlichsten Beispiele für das Konzept der unbewussten Prozesse in Bernes Schriften sind vielleicht seine Beschreibung des Skriptentwurfs (protocol) und des Palimpsests. Skriptentwurf und Palimpsest verweisen auf präsymbolische und prozesshafte Formen des Gedächtnisses, die die unbewussten Beziehungsmuster bilden sowie die daraus folgenden impliziten Schlussfolgerungen, die der Kern des Lebensskripts sind (S. 116–126).

Berne ging auf unbewusst gebliebene Erfahrungen insbesondere in seiner Beschreibung der „Primären Urteile“ und „Urbilder“ seiner Klienten ein: „Es scheint, dass die wichtigsten und einflussreichsten Urteile, die sich Menschen voneinander bilden, ein Produkt präverbaler Vorgänge sind – eine Wahrnehmung (cognition) ohne tieferes Verständnis (insight) – die fast automatisch unterhalb der Bewusstseinsebene wirken“ (1955/1977b, S. 72; dt. 1992, S. 103 f.). Im weiteren Text beschrieb Berne die symbolischen nonverbalen Prozesse des Therapeuten als Reaktion auf die Art und Weise, wie der Klient seine unbewusst gebliebenen Erfahrungen dem Therapeuten gegenüber zum Ausdruck bringt. Diese nannte er das „Ichbild“ des Therapeuten. Es ist das Bild, das im Therapeuten auftaucht, wenn er sich das Kind vergegenwärtigt, das der Klient einmal war (Berne 1957/1977a; dt. 1992, S. 131–152). <Berne benutzte auch den Begriff „Intuition“, um zu beschreiben, wie sich das Unbewusste des Therapeuten mit der unbewussten Kommunikation des Klienten verbindet>: „Intuition ist vorbewusstes Wissen ohne Worte, das auf vorbewussten Beobachtungen beruht und vorsprachlich ist“ (1947/1976, S. 35).

Rogers (1951) betonte die Bedeutung von Empathie – der Therapeut soll fühlen, was der Klient fühlt. Dies sei eine nonverbale, jedoch bedeutsame Weise, sich mit der unbewussten Kommunikation des Klienten zu verbinden. Reik (1948/1964) und Heinmann (1950) waren zwei der frühen psychoanalytischen Autoren, die betonten, welche Bedeutung die emotionale Respons des Therapeuten für den Klienten hat; sie sei eines der wichtigsten Instrumente, um die unbewussten Erfahrungen des Klienten zu erforschen. Kohut (1977) beschrieb später Empathie als eine Möglichkeit, die unbewussten gedanklichen Prozesse des Klienten nachzuempfinden, indem der Therapeut sich vorstellt, an dessen affektiven und Beziehungserfahrungen teilzuhaben. Während der letzten 20 Jahre hat sich die transaktionsanalytische Literatur zunehmend auf die Bedeutung der unbewussten Prozesse sowohl des Klienten als auch des Therapeuten fokussiert, weil sie zentral für die therapeutische Beziehung sind (Erskine & Trautmann 1996/1997, Hargaden & Sills 2002; Novellino 1984, 2003).

Tiefenpsychologische Psychotherapie

Wenn es einen Vertrag für eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie gibt, deren Ziel eine grundlegende Veränderung des Skripts des Klienten ist; dass es zu einer Entwirrung des Kind-Ichzustandes kommt und einer Lösung seiner Konflikte; dass die beeinflussenden Eltern-Ichzustände entmachtet werden, dann muss das therapeutische Ziel sein, den Klienten dabei zu unterstützen, das, was bislang unbewusst war, bewusst werden zu lassen. Es gilt also, den Klienten dabei zu unterstützen, seine bislang vorbewussten Erinnerungen, Gefühle, Gedanken, Empfindungen und Assoziationen ins Bewusstsein zu heben. Ein solchermaßen wiedergewonnenes Bewusstsein erlaubt es dem Klienten, sich seiner Motive bewusst zu werden, seiner persönlichen Geschichte, seiner Bewältigungsstrategien und seiner Beziehungsbedürfnisse. Auf diese Weise gelingt es ihm, sein Verhalten jeweils aktuell zu wählen, statt sich von Zwängen, Furcht oder einprogrammiertem Gehorsam steuern zu lassen.

In meiner tiefenpsychologischen Arbeit finde ich es besonders wichtig zu berücksichtigen, dass Erinnerungen an bestimmte Erlebnisse, Beziehungen, Gefühle oder Fantasien verdrängt werden, weil sonst schmerzhafte Konflikte in Beziehungen und unerfüllte Bedürfnisse bewusst würden. Das stimmt mit Freuds ursprünglicher Prämisse überein. Solch unbewusste Verhaltensweisen werden durch bewusstes Leugnen, emotionales Nicht-wahrhaben-Wollen (weil nicht sein kann, was nicht sein darf; Anm.d.Übers.) und körperliche Desensibilisierung aufrechterhalten. Dazu gehören auch die Dissoziation und die schizoide Distanzierung. <Diese Kontaktabbrüche dienen dem Selbstschutz und der Abwehr und leisten so ihren Beitrag dazu, dass Erfahrungen gar nicht erst ins Bewusstsein gelangen und auch unbewusst bleiben.>

Dennoch sind unbewusst gebliebene Erfahrungen nicht nur das Ergebnis psychologischer Abwehr.Sie können auch das Resultat einer physiologischen Überlebensreaktion sein; dies geschieht als Antwort auf ein Trauma oder reflektiert auf niedrigem Funktionsniveau fixierte Entwicklungsstufen. Trauma kann man definieren als die intensive Überstimulation der Amygdala und des limbischen Systems; dadurch werden die entsprechenden Zentren im Gehirn in Richtung Flucht (flight), Kampf (fight) oder Erstarren (freeze) aktiviert (siehe auchTschamper Egli [2004] und Allen [2003]; Anm.d.Übers.). Der frontale Kortex wird nur wenig aktiviert bzw. es kommt kaum zu einer Integration mit dem Corpus callosum. Deswegen kommt es zu keiner Herausbildung von Denken, Zeitempfinden, Sprache, Konzeptualisierung, Narrativen und der Fähigkeit, Ursache und Wirkung zu erkennen (Cozolino 2006, Damasio 1999, Howell 2005). Solche Traumata führen oft zu Dissoziation und/oder schizoider Isolation.

Diese Erfahrungen bleiben in der Regel unbewusst, weil sowohl das akute Trauma als auch die fortgesetzte Vernachlässigung nicht im expliziten Gedächtnis gespeichert werden, und das symbolische Gedächtnis kann sich nicht entwickeln. Stattdessen kommt es zu körperlichen Überlebensreaktionen, zu intensiven und undifferenzierten Affekten, zu einem subsymbolischen und einem impliziten Gedächtnis. Es kommt auch zu einem prozeduralen Gedächtnis von Beziehungsmustern, die als Vermeidung, Ambivalenz oder Aggression in Erscheinung treten (Wallin 2007). Das meiste von dem, das wir üblicherweise als „unbewusst“ bezeichnen, kann man am besten als präsymbolisch beschreiben, als subsymbolisch, symbolisch auf der nonverbalen Ebene, als implizit oder als prozedurale Ausdrucksformen von Erfahrungen aus der frühen Kindheit, die signifikante Formen des Gedächtnisses sind (Bucci 2001, Kihlstrom 1984, Lyons-Ruth 2000, Schacter & Buckner 1998). Diese Formen des Gedächtnisses sind nicht bewusst in dem Sinn, dass sie dem Denken zugänglich wären, einem Konzept, der Sprache oder einem Narrativ. Solch ein subsymbolisches oder implizites Gedächtnis wird mittels physiologischer Spannungen und undifferenzierter Affekte kommuniziert, über Sehnsüchte und Abneigungen oder einen Tonfall; durch Beziehungsmuster, die beim Therapeuten eine körperliche und affektive Resonanz auslösen können. In der Übertragungs-Gegenübertragungsdyade entfalten sich auf der unbewussten Ebene zwei intersubjektive Lebensgeschichten; in ihr eröffnet sich die Gelegenheit für unbewusste Erfahrungen, sowohl für den Klienten als auch den Therapeuten.

<Wir als Psychotherapeuten haben die Aufgabe, uns auf die Affekte, den Rhythmus und das Funktionsniveau des Klienten einzustimmen, ebenso auf seine Beziehungsbedürfnisse>, während wir die phänomenologischen [2] Erfahrungen des Klienten erforschen. Die phänomenologische Herangehensweise ermöglicht dem Klienten – möglicherweise zu ersten Mal –, seine affektiven und physiologischen Erinnerungen einzubringen in einen Dialog mit einer interessierten Person, die bereit ist, sich darauf einzulassen. Was noch nie „bewusst“ war, kann jetzt in einer solchen therapeutischen Beziehung bewusst werden.

Für mich ist es wichtig, unbewusste Prozesse nicht nur aus der Perspektive von Trauma oder Verdrängung zu betrachten, sondern auch unter entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten. Das subsymbolische bzw. das implizite Gedächtnis konzeptualisiere ich in der Regel als aus sechs Entwicklungs- und Erfahrungsebenen bestehend:

1. präverbal,

2. nie zur Sprache gekommen,

3. nie in der Familie zur Kenntnis genommen,

4. nicht im Gedächtnis gespeichert,

5. eine Versprachlichung aktiv vermieden habend

6. und vorreflexive Beziehungsmuster.

Ich werde im Folgenden jeden Typus des subsymbolischen und impliziten Gedächtnisses kurz beschreiben. Zunächst werde ich aber anhand eines Fallbeispiels aufzeigen, wie das regressive und unbewusste Gedächtnis durch eine beziehungsorientierte Psychotherapie bewusst werden kann.

Kays kumulatives Trauma

Kay (54) arbeitet als Buchhalterin. Zur Psychotherapie kommt sie, weil sie sagt, sie sei sehr einsam und sich über Menschen ärgert, von denen sie sich kontrolliert fühlt. Sie ist nie verheiratet gewesen und hat nie einen Freund gehabt. Nur in der High-School war sie heimlich in ein paar junge Männer verliebt. Bereits zweimal hatte sie eine Therapie begonnen. Der erste Therapeut half ihr, sich einige Ausbildungs- und Karriereziele zu setzen und einen guten Arbeitspatz zu finden, während die zweite Therapie in einem „Desaster“ endete, weil sie den Therapeuten als „kontrollierend“ und „konfrontierend“ erlebte.

<In unseren ersten Sitzungen spricht sie viel über aktuelle Ereignisse, verfällt aber in Schweigen, wenn ich sie nach ihrer Selbstwahrnehmung frage>, z.B. nach ihren Gefühlen, Körperwahrnehmungen, Fantasien oder Hoffnungen. Ich versuche, mich mit ihrem tiefen Gefühl der Einsamkeit zu verbinden, das sie häufig erwähnt. Oft gelingt es ihr aber, mich davon abzubringen, indem sie über etwas spricht, das in der Zeitung steht oder die Situation bei ihrer Arbeit. Ihre offensichtliche Übertragung auf mich enthält ihre ständige Furcht, ich könnte sie verlassen und auch ihre konstante Annahme, ich könnte sie kontrollieren. Meinen Fragen nach ihrer Befindlichkeit begegnet sie mit Misstrauen. Scheinbar fehlen ihr oft Konzepte, ja sogar die Sprache, um ihre Gefühle und ihre inneren Erfahrungen zu beschreiben. An ihre frühe Kindheit und ihre Schulzeit hat sie nur vage Erinnerungen. Und was sie erinnert, dreht sich meistens um das religiöse Leben ihrer Familie.

Im zweiten Therapiejahr geschieht etwas Bemerkenswertes: Eine Spinne lässt sich langsam an einem langen Silberfaden von der Decke herab, um dann fortwährend hinaufzuklettern und sich wieder herunter zu lassen. Kay ist erschrocken und gleichzeitig fasziniert, wie ein kleines Mädchen. In Resonanz mit ihrer Aufregung über das Tun der Spinne bin auch ich emotional berührt. Doch nach etwa 15 Minuten geht Kay wieder auf Distanz und wird still. Ich passe mich ihrem langsamer werdenden Rhythmus und ihrer inneren Distanzierung an. Sie berichtete, dass sie seit einem Krankenhausaufenthalt Spinnen mag. Das überrascht mich, denn weder im Erstgespräch noch in den weiteren Therapiesitzungen hat sie je einen Klinikaufenthalt erwähnt. <Nie ist Kay auf die Idee gekommen, mir oder den beiden vorherigen Therapeuten davon zu berichten, dass sie als Zweijährige für zwei Jahre in eine eiserne Lunge gesteckt wurde, um von Kinderlähmung zu genesen.> Als ich davon erfahre – von ihrem zweijährigen Eingesperrt-Sein – öffnet sich ihr mein Herz. In den darauffolgenden Sitzungen stelle ich mir oft vor, das kleine Kind aus seiner eisernen Lunge zu nehmen und in meinen Armen zu halten. Ihr einziger Freund in dieser Zeit – so erzählt Kay mehrfach – sei eine Spinne gewesen, die ihr Netz an der Decke über der eisernen Lunge gesponnen hatte, außerhalb ihrer Reichweite. Stunden verbrachte sie damit, die Bewegungen der Spinne zu beobachten, und ich verbringe viele Stunden damit, mich in die Bedeutung einzufühlen, die die Spinne damals für das kleine Mädchen hatte.

Schließlich spricht Kay über diese Zeit, immer unterbrochen von langen Phasen des Schweigens. Sie erzählt, wie die Krankenschwestern ins Zimmer kamen und grob an ihr zogen und zerrten und wie sehr sie es hasste, so behandelt zu werden. Vor jeder Sitzung freue ich mich darauf, zu dem kleinen Mädchen in der eisernen Lunge zu sprechen. Wir weinen zusammen über ihre Einsamkeit. Als sie sich als „Gefangene“ beschreibt, nehme ich ihren Ärger ernst. Kay berichtet auch, wie sie viele Stunden damit verbracht hat zu beobachten, wie an einer großen Klinikuhr die Sekunden wegtickten. Immer wieder beschreibt sie, dass der Sekundenzeiger einen anderen klickenden Ton erzeugte, wenn er von 12 zu 6 Uhr wanderte, als wenn er von 6 zu 12 aufwärtsstieg. Schließlich erinnert sie sich an die Vorstellung, die Zeiger der Uhr würden zu ihr hinabreichen, um ihren Kopf und ihr Gesicht zu streicheln.

Nach einer gewissen Zeit beschreibt sie ihre Klinikerfahrungen nicht mehr so ausführlich. Sie hat aber kein Vokabular zur Verfügung, um ihre Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken. Deshalb gibt es immer wieder lange Phasen von Schweigen und Trauer. Ich setze mich näher zu ihr, sodass unsere Finger sich berühren können, wenn wir unsere Hände ausstrecken. Bei diesem Fingerkontakt scheint sie lebendiger zu sein. Wieder und wieder spielen wir das Fingerspiel „Itsy Bitsy Spider“ und lachen über unsere Albernheit. Wenn ihr dann der Kontrast bewusst wird zwischen unserem Spiel und ihren Jahren der Einsamkeit, weint sie für gewöhnlich.

<Um die Agonie zu beschreiben, die sie während ihrer Gefangenschaft in der eisernen Lunge erlebte, benutzt Kay oft ihre Finger- und Gesichtsmuskeln.> Stumm zeigt sie mir ihre Wut mit ihrem Gesichtsausdruck und ihren Gesten, wenn ich ihren Rhythmus nicht treffe oder nicht mit dem angemessenen Affekt antworte. Ohne Worte erzählt sie mir die Geschichte ihrer Entwicklungsbedürfnisse, Einsamkeit und Verlassenheit. Gemeinsam erschaffen wir ein nonverbales und ein verbales Narrativ ihrer Erfahrungen zwischen ihrem zweiten und vierten Lebensjahr. Meine therapeutische Aufgabe besteht darin, immer wieder ihre Trauer, ihre Furcht, ihren Ärger und ihr Gefühl der Verlassenheit als affektiven Ausdruck realer Geschehnisse zu validieren. Wir entwickeln dafür ein eigenes Vokabular und geben den körperlichen und affektiven Erfahrungen ihres kumulativen Traumas eine Bedeutung. Mit meiner Unterstützung versteht Kay, dass die Bedürfnisse ihrer frühen Kindheit angemessen waren, genauso wie ihre gegenwärtigen Bedürfnisse. Daraufhin überlegen wir, wie ihre erwachsenen Beziehungsbedürfnisse von Menschen in ihrem gegenwärtigen Leben gestillt werden könnten. Ich zeige meine Anwesenheit mittels der Kombination von affektiver und rhythmischer Eingestimmtheit entsprechend dem jeweiligen Entwicklungsniveau. Für unsere Beziehungsgestaltung ist das zentral.

Zehn Jahre nach der Therapie ist Kay keine Liebesbeziehung mit einem Mann eingegangen. Aber sie berichtet, dass sie „die Kinder der Klinik liebt“, in der sie drei Tage in der Woche ehrenamtlich tätig ist.

Formen des unbewussten Gedächtnisses

Präverbales

Bis zum Spracherwerb (etwa zwischen zehn und zwölf Monaten) ist das kindliche Gedächtnis vorsymbolisch und vorsprachlich (siehe auch Allen 2003; Anm.d.Übers.). Es steht dem Gedächtnis nicht über sprachlichen Ausdruck zur Verfügung, denn die Erfahrungen wurden vor dem Spracherwerb gemacht. Das präverbale Gedächtnis findet seinen Ausdruck in Selbstregulierungsmustern, in emotionalen Reaktionen, in Form von körperlichen Einschränkungen, in bestimmten Bindungsstilen und der Art und Weise, wie Beziehungen eingegangen werden. Später werden die präverbalen Beziehungsmuster zwar erlebt, aber die Betroffenen denken nicht weiter darüber nach.

Die Einstimmung des Therapeuten auf die Affekte des Klienten, auf seinen Rhythmus und sein psychisches Alter sind wesentlich dafür, dass es zu einer emotionalen Verbindung kommen kann, die wiederum eine Voraussetzung für die Mitteilung vorsprachlicher Erfahrungen ist. Die Geschichte des Klienten kann ihren Ausdruck in nonverbalem Ausagieren finden oder/und durch therapeutische Schlussfolgerungen konstruiert werden. Das geschieht oft bei Erfahrungen, die ein Klient als Säugling oder Kleinkind gemacht hat, die zwar unbewusst, aber als Gefühle vorhanden sind. In Kays Therapie war beispielsweise das drei- bis vierjährige Kind im Krankenhaus zu einem viel jüngeren vorsprachlichen Alter regrediert. Nur ihre Gesten und die Berührung unserer Finger konnten Kays Agonie, ihre Einsamkeit, Verwirrung und Sehnsucht nach Beziehung ausdrücken. Meine konstante Aufmerksamkeit in Phasen des Schweigens und die Berührung unserer Fingerspitzen ermöglichten es schließlich, dass das vorsprachliche Gedächtnis ins Bewusstsein gelangen und ausgedrückt werden konnte.

Bislang nie Ausgesprochenes

Das präsymbolische und implizite Gedächtnis enthält Erfahrungen aus der Kindheit, die in der ursprünglichen Situation nicht zur Sprache gebracht werden konnten. Das Kind konnte bereits ein bisschen sprechen, es verfügte über Substantive und Verben, hatte aber noch keine Vorstellung davon, wie es Bedürfnisse und Gefühle beschreiben könnte. Außerdem gab es in der Regel niemanden, der dem kindlichen Erleben Bedeutung gab. Das Narrativ über die kindlichen Erfahrungen wurde nie gebildet, denn es gab keine Beziehung, die das Kind dabei unterstützte, seine eigenen Bedürfnisse zu formulieren und eine Vorstellung von sich zu entwickeln.

Wenn ein Kind über seine Erfahrungen sprechen darf, wird jede Erfahrung mit einem Wort und einer Beschreibung verbunden. <Die Erfahrung wird verstanden, weil eine Vorstellung davon gebildet werden und ins Bewusstsein gelangen kann.> Wenn es keine zwischenmenschlichen Dialoge gibt, ist es weniger wahrscheinlich, dass eine Erfahrung bewusst wird und dass brauchbare Selbstkonzepte und ein Narrativ von sich selbst entstehen. Ausführliches Explorieren und affektive Eingestimmtheit ermöglichen es ihr oder ihm, die eigenen emotionalen Erfahrungen auszudrücken. Der eingestimmte interessierte andere stellt eine dialogische Sprache zur Verfügung, die es dem Klienten ermöglicht, seine in der Außenwelt gemachten Erfahrungen zur Sprache zu bringen und auszudrücken. So bekommen sie eine Bedeutung als autobiografisches Gedächtnis.

Kay hatte nie mit jemandem über ihre Erfahrungen im Krankenhaus gesprochen, weder mit ihren Freunden noch mit ihren früheren Therapeuten. Gemeinsam erschufen wir eine Geschichte, die es ihr erleichterte, sich die damalige Zeit ins Bewusstsein zu rufen und ihren bislang nie verbalisierten emotionalen Erfahrungen Bedeutung zu verleihen.

Fehlende Beachtung und Anerkennung

Manche Erfahrungen während der Entwicklung bleiben unbewusst, weil die Gefühle, Verhaltensweisen oder Beziehungsbedürfnisse des Kindes innerhalb der Familie nie ernst genommen und beachtet wurden. Wenn niemand mit dem Kind spricht, sodass seine Erfahrungen eine Bedeutung erhalten, kann das Kind diese Erfahrungen nicht in Begriffe fassen. Cozolino (2006) beschreibt, welche Auswirkungen es hat, wenn die Erfahrungen eines Kindes ernst genommen werden bzw. was passiert, wenn sie keine Beachtung finden:

„Wenn Eltern sich um ihre Kinder kümmern und ein Interesse an ihren Erlebnissen zeigen, werden die Kinder sich dessen gewahr, dass sie ein eigenes inneres Erleben haben ... Wenn diese innere Erfahrung durch ein ko-konstruiertes Narrativ verstanden, diskutiert und organisiert wird, steht sie einer bewussten Betrachtung zur Verfügung ... Ein Kind, das in einem Umfeld des Schweigens leben muss, weil Eltern nicht in der Lage sind, innere Erfahrungen zu verbalisieren, kann nicht die Fähigkeit entwickeln, seine Welt zu verstehen und in ihr zurechtzukommen ... Wenn in das Miteinander-Sprechen Körperempfindungen, Gefühle, Verhaltensweisen und Gedanken einbezogen sind, wird Sprache zu einem Medium, das es dem kindlichen Gehirn ermöglicht, die verschiedenen Aspekte seiner Erfahrungen auf kohärente Weise zu integrieren“ (Cozolino 2006, S. 232).

<Mithilfe von Psychotherapie können seelische Dimensionen erreicht werden, die bis dahin unbekanntes Terrain waren.> Während Kay in der Klinik war, beteten ihre Eltern für ihre Genesung. Und als sie wieder daheim war, dankten sie regelmäßig Gott dafür, dass sie nicht gestorben war. Aber sie sprachen nie mit ihr über ihre Einsamkeit, ihren Kampf ums Überleben und ihre große Angst. Auch die Krankenschwestern sprachen kaum mit ihr. Sie war mit ihren Erlebnissen / Erfahrungen völlig allein. Dies führte dazu, dass diese ihr nicht bewussten Erinnerungen ihr Leben dominierten.

Wäre nicht die Spinne von der Decke meines Therapiezimmers hinuntergekommen, hätte Kay vielleicht nie mit mir über ihre Erfahrungen während des langen Krankenhausaufenthalts gesprochen. Die Spinne aber machte einen besonderen emotionsgeladenen Moment möglich, in dem ich auf Kays Erregung zuerst lebhaft reagierte und anschließend mit ruhiger Geduld auf ihr Schweigen und ihre Distanziertheit.

Dies war ein entscheidender Wendepunkt in unserer gemeinsamen therapeutischen Arbeit. Ich konnte mir ein Bild (vgl. Bernes „Ichbild“ [ego image]) von einem hospitalisierten und vielleicht traumatisierten kleinen Mädchen machen, das mich in die Lage versetzte, sowohl mit dem altersentsprechend entwickelten zwei- bis vierjährigen Kind als auch mit dem auf eine präverbale frühkindliche Entwicklungsstufe regredierten Kind zu kommunizieren. Als unsere therapeutische Arbeit zu ihren regressiven Erfahrungen fortgeschritten war, erzählte mir Kay, dass sie mit niemandem über ihren langen Krankenhausaufenthalt gesprochen hatte, weil sie schlicht davon ausgegangen war, dass „sich sowieso niemand dafür interessiert“. Sie hatte also das elterliche Desinteresse auf alle anderen Personen übertragen, ihre vorigen Therapeuten eingeschlossen.

Fehlendes Gedächtnis

Wenn ein Klient sich nicht erinnern kann, kann das die Folge von fehlenden signifikanten Beziehungen sein. Haben bedeutsame Beziehungserfahrungen niemals stattgefunden, kann es auch keine Bewusstheit darüber geben. Gab es weder Freundlichkeit noch Respekt noch Zärtlichkeit, kann sich der Klient auch nicht daran erinnern. Es gibt ein Erfahrungsvakuum.

Das finden wir oft bei vernachlässigten Kindern. Lourie (1996) beschrieb das fehlende Gedächtnis bei Klienten mit kumulativem Trauma als Folge von fehlender Fürsorge und von Elternpersonen, die die Beziehungsbedürfnisse des Kindes konstant ignoriert hatten. In Kays Geschichte ist „unbewusst“ gleichbedeutend mit „keine Erinnerung haben“. Tröstende Berührungen, die Würdigung ihrer affektiven Bedürfnisse, ausreichende Erklärungen und eine aktive Begleitung – all dies fehlte in den Jahren, die Kay in der Klinik verbrachte. Der Gegensatz zwischen meinem Verhalten – sie zu berühren, ihre Situation zu validieren und zu erklären und sie zu begleiten – und der Erkenntnis, dass diese wichtigen Beziehungselemente in jener Zeit gefehlt hatten, führte dazu, dass ihr bewusst wurde, wie sehr ihre unbewusste Kompensierung dieses Mangels an Beziehungen ihr gegenwärtiges Leben dominierten.

Kays Geschichte reflektiert vier Formen unbewusster Prozesse: (1) Dinge (bzw. Situationen oder Ereignisse; Anm.d.Übers.) wurden nie benannt und (2) nie anerkannt. Es gab (3) keine Erinnerung und es kam (4) zu einer Regression auf eine präverbale Stufe. <Die Auflösung ihres kumulativen Traumas ist auch ein Beispiel dafür, dass innerhalb einer affektiven Beziehung> (das ist gemeint, wenn wir vom intersubjektiven Ansatz sprechen; Anm.d.Übers.) <bislang unbewusste Erfahrungen bewusst werden können.> Über viele Jahre hinweg agierte Kay verschiedene unbewusste subsymbolische und implizite Erinnerungen, die ihre Lebensgestaltung bestimmten. Die Geschichte ihrer therapeutischen Reise lässt sich beschreiben als ein Prozess, in dem präverbale und nie zur Sprache gekommene aber gelebte Erfahrungen bewusst werden konnten. Kay hatte die die nie stattgefundenen Beziehungen nicht entbehrt; dazu gab es kein Gedächtnis [nonmemory]. Für eine gesunde Entwicklung hätte sie diese aber benötigt. Sie hätte vor allem einen verlässlichen Anderen gebraucht, der auf ihre Gefühle und Bedürfnisse angemessen eingegangen wäre. Der größte Teil der Psychotherapie zielte darauf ab, ihr dabei zu helfen, ihre verschiedenen frühen Beziehungsmuster und ihre Formen der Selbstregulierung zu reflektieren und sie als Versuche anzuerkennen, in Beziehung zu treten und für ihre zahlreichen unerwiderten Beziehungsbedürfnisse entschädigt zu werden / eine Wiedergutmachung zu erhalten. In Ergänzung zu Freuds Konzept des Unbewussten als Folge von Verdrängung schließe ich bei meiner Therapieplanung die Möglichkeit mit ein, dass der Klient unbewusste Erfahrungen in seiner frühen Kindheit gemacht hat, für die es nie einen Ausdruck gab; die also vorsprachlich, nie in Sprache gekleidet, nicht anerkannt waren oder für die es kein Gedächtnis gibt. All dies ist die Grundlage fixierter Beziehungsmuster.

Eine Versprachlichung meiden

Wenn ein Kind es bewusst vermeidet, über etwas zu sprechen, kann das Ereignis unbewusst werden, das heißt, es wird nicht mehr als eine Reihe spezifischer Ereignisse erinnert und ist dadurch nicht mehr als Narrativ verfügbar. Das entspricht Freuds (1915) dynamischem Unbewussten: Scham und Schuld werden unbewusst, weil es der betreffenden Person unangenehm ist, mit jemandem über dieses Erlebnis zu sprechen.

Fallbeispiel: Andrew

Andrew kommt zur Therapie aufgrund seiner intensiven Zwänge, einschließlich seiner Scham darüber. Ich nehme verschiedene Behandlungsansätze von Zwängen in den Blick: Die psychologische Funktion verstehen, Andrews Skriptüberzeugungen explorieren und ganz besonders die Frage, inwieweit seine Zwänge ein Versuch sind, eine verlorengegangene, aber wichtige Geschichte zu erzählen. <Wir explorieren, inwieweit seine Scham über sein zwanghaftes Verhalten dazu dient, ein tiefer liegendes Schamgefühl zu vermeiden.>

Andrew kann mir schließlich von dem wundervollen Sommer zu erzählen, den im Alter von zwölf Jahren mit seiner Familie an einem See verbrachte. In der Nähe lebte ein gleichaltriger Junge und die beiden schwammen, spielten Ball und fuhren Fahrrad. Aber der erregendste Teil des Sommers waren ihre sexuellen Spiele. Sie erforschten gegenseitig ihren Penis und betrieben Fellatio. Andrew liebte die sexuellen Erfahrungen, und er liebte den anderen Jungen, den er sehr vermisste, als der Sommer vorüber war. Er hatte schreckliche Angst davor, jemandem von seiner wundervollen Erfahrung zu erzählen. Auch die beiden Jungs hatten nie über ihre sexuellen Spiele gesprochen oder darüber, was sie gefühlt hatten. Andrew genoss still die Erinnerung an das Vergnügen, aber konnte mit seinen Eltern nicht darüber sprechen, denn: „Vater hätte mich geschlagen, und Mutter wäre hysterisch geworden.“ Er konnte auch nicht mit den Nonnen und Priestern in der Schule sprechen, denn er wusste, dass „es Sünde war“. Und, besonders wichtig, er konnte auch nicht mit einem der anderen Jungen über seine Erfahrungen reden, weil er fürchtete, sie würden ihn einen „Homo“ nennen.

24 Jahre lang bewahrt Andrew seine Geschichte früher Erregung als Geheimnis, sogar vor sich selbst. Die bewusste Vermeidung, von seiner Geschichte zu sprechen, führt dazu, dass er sie in seinen verschiedenen intensiven Zwängen agiert. Das sind Zwänge, für die er sich zutiefst schämt, die ihn aber anscheinend von seiner gesellschaftlich induzierten Scham wegen seines sexuellen Erlebnisses ablenken.

Vorreflexive Beziehungsmuster

Ein großer Teil der psychodynamischen Prozesse läuft jenseits der Bewusstheit ab. Dies sind präreflexive Muster des Selbst in Beziehung. Stolorow und Atwood (1989) beschreiben fünf solcher Muster: Bindungsstil, Selbstregulierung, Beziehungsbedürfnisse, Skriptüberzeugungen und Introjektion. Diese sind den meisten Klienten in der ersten Phase der Therapie nicht wirklich bewusst, obwohl sie oft da schon über ihre Skriptüberzeugungen, ihre Selbstregulierung und ihre Reaktionen auf Beziehungen sprechen. Welch tief greifenden Einfluss solche Muster auf ihr Leben haben, ist ihnen eher nicht bewusst. Die therapeutische Beziehung so zu gestalten, dass diese präreflexiven Muster bewusst und verstanden werden und als Wahlmöglichkeit erfahren werden können ist ein wesentlicher Aspekt der Psychotherapie.

Bindungsstile sind unbewusste, präsymbolische prozedurale Formen des Gedächtnisses, die auf frühen Beziehungsmustern beruhen (Bowlby 1988). Wenn ich tiefenpsychologische Psychotherapie mache, spreche ich oft mit meinen Klienten über ihren Bindungsstil, sowohl ihre Bindung mit mir als Psychotherapeuten als auch mit signifikanten anderen. Wir überprüfen, ob ihre Beziehungen sicher, ambivalent, vermeidend oder desorganisiert sind, oder ob sie isoliert leben. Dann explorieren wir gemeinsam die frühe Familiendynamik und ihre darauf beruhenden impliziten Schlussfolgerungen, die zu diesen Mustern geführt haben. Dass die Klienten sich ihrer Bindungsstile gewahr werden, ebenso ihrer Ressourcen, bedeutsame Beziehungen herzustellen, ist ein wichtiger Aspekt unserer Dialoge. So erkannte Kay, wie ihr ambivalenter Bindungsstil entstanden war und wie sie ihn im Erwachsenenleben aufrechterhalten hatte. Andrew wiederum hatte seine Isoliertheit mit vielen Arten von Zwängen kompensiert, bis er erkannte, wie jeder Zwang zu Isolation in Beziehungen führte.

<Oft wissen die Menschen nicht, dass sie Muster der Selbststabilisierung und Selbstregulierung haben, die sie einst entwickelten, um heftige Affekte zu reduzieren.> In Ermangelung von Beziehungen, die ihre Bedürfnisse befriedigen, nutzen Klienten oft bestimmte Gesten, repetitive Verhaltensweisen oder Skriptüberzeugungen, um Gefühlsreaktionen abzuschwächen, die sie sonst überstimulieren würden. Hier muss der Psychotherapeut unbedingt dem Klienten diese Formen der Selbstregulierung zu Bewusstsein bringen. Er muss danach forschen, was innerhalb des Klienten in Reaktion auf die therapeutische Beziehung geschieht oder welche inneren Bilder auftauchen, kurz bevor es zu der selbstregulierenden Handlung kommt. Einige Beispiele für solche Verhaltensweisen sind: sich über die Haare fahren, die Hände ringen oder Sätze mit „… wissen Sie! [you know]“ beenden.

<Die Körpersprache> (siehe auch Berne 2001, Kap. 7; Anm.d.Übers.) <gibt uns Aufschluss über die unbewusste Kommunikation des Klienten.> Deshalb ist es wichtig, während der Therapie besonders darauf zu achten, wie es sich in Bewegungen, Gesten und in ihrer Körperhaltung zeigt, dass die Klienten sich der Kommunikationsmuster bewusst werden. So brauchte ich beinahe zwei Jahre, um zu realisieren, dass Kays ständiges Finger-Gegeneinanderdrücken ein unbewusster Versuch war, mir ihre Geschichte ihrer emotionalen und physischen Verlassenheit zu erzählen. Andrew wiederum ging häufig für einen Moment aus dem Blickkontakt, um seine Gefühle zu regulieren, und zwar immer dann, wenn der Kontakt zwischen uns für ihn zu intensiv war. Gemeinsam lernten wir, diese Momente der Selbstberuhigung durch Rückzug als sein Gefühl der Isolation und mein Ihn-Verfehlen zu verstehen.

Dass Menschen ein Grundbedürfnis nach Beziehung (Erskine & Trautmann, 1996/1997) haben, ist den meisten Klienten nicht bewusst. Die fehlende Erfüllung dieses Bedürfnisses zeigt sich in ihrer Nervosität, Reizbarkeit, Voreingenommenheit oder in ihrem ständigen Missmut. Solche Empfindungen sind dann maßgeblich für die Interaktion mit anderen Menschen oder deren Vermeidung. Die Beziehungsbedürfnisse bilden die inhärente, wenn auch oft unbewusste Dynamik, sowohl im Übertragungsgeschehen des Alltags als auch in einer therapeutischen Beziehung mit intersubjektivem Ansatz. Es ist die Aufgabe des Therapeuten, dem Klienten dabei zu helfen, sich seines Bedürfnisses nach Sicherheit in Beziehungen bewusst zu werden. Ebenso muss er ihn dabei unterstützen, seine eigenen Affekte und inneren Erfahrungen anzuerkennen (zu validieren), ein Gefühl für die Validierung der eigenen Affekte und internen Erfahrungen zu entwickeln, dauerhaft Vertrauen und Verlässlichkeit in eine/r Beziehung mit einem bedeutsamen anderen zu erleben und Erfahrungen teilen zu können. Außerdem die Möglichkeit zu haben, sich selbst zu erklären, die Fähigkeit, Einfluss in einer Beziehung zu haben und zu erleben, dass der andere aktiv die Beziehung gestaltet sowie die Möglichkeit, Zuneigung und Dankbarkeit auszudrücken. Sowohl in Kays als auch in Andrews Therapie war das Bedürfnis nach Sicherheit, Validierung und Verlässlichkeit des anderen besonders wichtig. Keiner der beiden war sich der Bedeutung dieser Bedürfnisse zu Beginn der Therapie bewusst.

<Die Skriptüberzeugungen der Klienten von sich selbst, den anderen und dem Leben> (Erskine & Zalcman 1979/1997) <sind für gewöhnlich unbewusst, obwohl sie im gesellschaftlichen Umgang oft evident sind.> Sie führen zu Selbstregulierungsprozessen und zu impliziten, auf Erfahrungen beruhenden Schlussfolgerungen, die während der kindlichen Entwicklung gezogen wurden. Wenn sie einmal gebildet und übernommen wurden, beeinflussen die Skriptüberzeugungen, was für interne und externe Stimuli erwartet werden, wie sie wahrgenommen werden und ob die betreffende Person auf sie reagiert. Skriptüberzeugungen dienen dazu, von vergangenen Erfahrungen, Beziehungsbedürfnissen und den dazu gehörigen Gefühlen abzulenken.

Zu Beginn der Therapie waren sich weder Kay noch Andrew ihrer Skriptüberzeugungen bewusst, noch war ihnen klar, auf welche Weise diese Überzeugungen Einfluss auf ihre Erfahrungen nahmen. Andrews Skriptüberzeugungen waren: „Etwas stimmt mit mir nicht.“ „Niemand ist für mich da“ und: „Niemand versteht mich“. Und die von Kay lauteten: „Ich bin ganz allein in der Welt.“ „Meine Gefühle sind nicht wichtig.“ Und: „Die anderen wollen mich kontrollieren.“ Jede dieser Skriptüberzeugungen wirkte sich unbewusst auf ihr Verhalten, ihre Fantasien und ihre Beziehungsgestaltung aus.

Eine Introjektion ist per definitionem ein unbewusster Abwehrmechanismus, bei dem sich das Subjekt mit Teilen der Persönlichkeit eines signifikanten anderen[3] identifiziert. Das geschieht dann, wenn es keine wirkliche Beziehung gibt (Erskine 2003). Obwohl die Klienten oft genug eine kritische innere Stimme wahrnehmen, sind sie sich meist nicht dessen bewusst, dass es sich um den beherrschenden Einfluss ihres Eltern-Ichzustandes handelt. Bei einer tiefenpsychologischen und integrativen Psychotherapie kann es wesentlich sein, das Introjekt zu identifizieren und sogar die unbewusst als eigene angesehenen Einstellungen, Verhaltensweisen oder Emotionen von signifikanten anderen außer Kraft zu setzen (Erskine & Trautmann 2003). Bei Kay und Andrew fokussierte ich jedoch nicht auf eine Psychotherapie mit dem Eltern-Ichzustand [4]; es schien nicht wirklich relevant zu sein für die Behandlung. Bei anderen Klienten können die von signifikanten anderen introjizierten Affekte, Haltungen, Körperreaktionen und/oder Abwehrmuster ihr Leben innerlich beeinflussen oder sogar dominieren. Die Bewusstheit über die Introjekte und deren Auflösung ist ein wichtiger Aspekt tiefenpsychologischer integrativer Psychotherapie.

Der therapeutische Prozess

Als Psychotherapeuten haben wir die Aufgabe, den Klienten dabei zu helfen, dass ihnen das bewusst wird, was „unbewusst“ war! Was für die meisten Menschen „die bewusste Erinnerung“ ist, ist in der Regel ihr explizites oder auch symbolisches Gedächtnis: eine Fotografie, ein impressionistisches Gemälde oder eine Tonaufnahme von Dingen, die in der Vergangenheit gesagt wurden. Ein solches explizites oder erklärendes Gedächtnis ist in der Regel in der Fähigkeit verankert, sich mittels Sprache verständlich zu machen und über Konzepte zu verfügen, um Erfahrungen zu beschreiben. Unbewusst gebliebene Erfahrungen können nicht explizit ins Gedächtnis gerufen werden, denn das dazugehörige Ereignis ist sub- oder präsymbolisch, physiologisch oder prozedural gespeichert. Es wurde verdrängt oder ist die Folge eines Traumas (Bucci 2001, Fosshage 2005, Howell 2005, Lyons-Ruth 1999). <Solche unbewusst gebliebenen Erinnerungen werden in der Regel als Körperspannungen wahrgenommen>, als undifferenzierter Affekt, als Sehnsucht oder als Abneigung. Sie äußern sich als vorreflektive Beziehungs- und Selbstregulierungsmuster. Diese Symptome führen die Menschen in die Psychotherapie.

Klienten wie Kay und Andrew benötigen einen Psychotherapeuten, der sich der verschiedenen Dimensionen eines impliziten, prä- und subsymbolischen und eines prozeduralen Gedächtnisses bewusst ist. In einer beziehungsorientierten und integrativen Psychotherapie muss der Therapeut sensibel sein für die die dem Übertragungsgeschehen inhärente unbewusste Kommunikation. Dies betrifft die therapeutische Beziehung, aber auch, ganz wichtig, die Übertragungen im Alltag (Freud 1912). Affektsteigerungen, Beziehungskonflikte, habituelle Befürchtungen und Zwänge, die Abwesenheit von Affekten und sogar körperliche Leiden können ein unbewusster Ausdruck solcher Beziehungskonflikte oder traumatischer Erfahrungen aus der frühen Kindheit sein, die im impliziten und emotionalen Gedächtnis gespeichert sind. Das unbewusste prozedurale Gedächtnis kann sich in ambivalenten, vermeidenden und aggressiven Bindungsstilen ausdrücken (Main 1995, Wallin 2007). Wenn der Therapeut sich seiner eigenen emotionalen Reaktionen auf den Klienten und seiner entsprechenden Assoziationen bewusst ist, kann er erspüren, wie der Klient seine Beziehungskonflikte und seine traumatischen Erfahrungen aus der frühen Kindheit unbewusst kommuniziert. Dabei helfen dem Therapeuten seine Kenntnisse aus der Entwicklungspsychologie und sein Wissen über Reaktionen, die dem Selbstschutz dienen. Wenn ihm bewusst ist, welche Bedeutung Beziehungsbedürfnisse haben, kann er gleichbleibend affektiv auf den Klienten eingestimmt, diesen auf sensible Weise sowohl phänomenologisch als auch historisch befragen. So entsteht eine gemeinsame Sprache, die es möglich macht, das unbewusste, sub- und präsymbolische emotionale Gedächtnis mit einem eingestimmten Zuhörer zu teilen, der sich auf den anderen eingelassen hat (Erskine, Moursund & Trautmann 1999).

Kay z.B. konnte ihre Krankenhauserlebnisse nicht bei ihrem ersten Therapeuten zur Sprache bringen, dem ihre Weiterbildung und Karriere am Herzen lagen. Aber auch nicht bei ihrem zweiten Therapeuten, der konfrontativ arbeitete und dem es um angepasstes Verhalten ging. Ein Psychotherapeut, der vor allem auf eine Verhaltensänderung fokussiert, dafür Erklärungen bereithält und zu einer Neuentscheidung drängt oder sich seinem theoretischen Fundament sehr stark verpflichtet fühlt, verpasst möglicherweise den Moment, in dem er wahrnehmen und verstehen könnte, auf welche Weise sein Klient unbewusst kommuniziert. Er kann es dann auch nicht zur Sprache bringen. Nur durch unsere beständige affektive und rhythmische Eingestimmtheit können wir die jeweilige Entwicklungsstufe der prä- und subsymbolischen Erfahrungen erfühlen, die dem Bewusstsein des Klienten nicht zugänglich sind. Wenn wir empathisch sind, spüren wir, welche Beziehungsbedürfnisse bislang unerwidert sind und wir erkennen, welche Formen der Kompensation der Klient entwickelt hat und welches Bindungsverhalten.

Kay brauchte einen Therapeuten, der emotional auf ihre Verlassenheitsangst, ihre tiefe Einsamkeit und ihren Ärger, kontrolliert zu werden antworten konnte. Es war nötig, sich einerseits in die Todesangst der Zwei- bis Vierjährigen einzufühlen und andererseits in das auf eine präverbale Entwicklungsstufe regredierte Kind. Diese Regression war ein verzweifelter Versuch der Selbstregulierung. <Sie brauchte einen Therapeuten, der mit ihrem Schweigen, ihrem Rhythmus und ihrer Verzweiflung mitschwingen konnte>; der mit ihr spielen und ihr helfen würde, ein Sprache zu finden für ihre präverbalen, nie ausgesprochenen, nie anerkannten und unbewussten Erfahrungen, zu denen es keine Erinnerung gab; und ihr zu ermöglichen, sich darüber auszutauschen. Einen Therapeuten, der ihre nonverbalen Erfahrungen entziffern konnte, indem er sensibel auf die tiefere Bedeutung ihrer wirren Kommentare reagierte, ebenso auf ihr Schweigen, ihren Gesichtsausdruck und ihre Gesten und auf ihre Entwicklungsbedürfnisse. Sie brauchte einen Therapeuten, der als affektives Gegenüber und mittels Deutung die notwendigen Worte und Konzepte liefern konnte, die es ihr ermöglichten, ihrer Erfahrung Worte zu geben, sodass die unbewussten Krankenhauserfahrungen bewusst werden konnten.

Andrew benötigte einen Therapeuten, der gleichermaßen einfühlsam auf seine ihn überwältigende Scham und seine große Angst vor Bestrafung reagieren konnte. Außerdem musste er die psychische Funktion seiner zahlreichen Zwänge und die dazu gehörenden Skriptüberzeugungen erkennen und angemessen damit umgehen lernen. <Er benötigte sowohl den Schutz des Therapeuten vor Bestrafung als auch dessen Verständnis seiner ursprünglich unbewussten präreflexiven Bindungsmuster>, seiner Art der Selbstregulierung und seiner Beziehungsbedürfnisse (Moursund & Erskine 2004). Dass Andrew nie über seine sexuellen Erfahrungen gesprochen hatte, führte schließlich dazu, dass dieses Erlebnis unbewusst geworden war. Da der Therapeut geduldig auf der phänomenologischen, bewusstseinsnahen Ebene nachfragte, konnten Andrews dem Bewusstsein nicht zugänglichen Erinnerungen explizit und zu einem symbolischen Narrativ werden. Er war nun nicht mehr länger gezwungen, seine ursprüngliche Angst vor Bestrafung abzuspalten.

Die Fallgeschichten von Kay und Andrew zeigen, wie wichtig es ist, dass der Therapeut sich einlassen kann und einfühlsam reagiert, wenn er die verschiedenen Aspekte der präsymbolischen und subsymbolischen unbewussten Kommunikation entschlüsselt. Das Ziel einer tiefenpsychologischen und integrativen Psychotherapie ist es, die Besonderheit der therapeutischen Beziehung zur Verfügung zu stellen, nämlich Verständnis und die entsprechende professionelle Technik, die es dem Klienten ermöglichen, das bislang Unbewusste bewusst werden zu lassen. So kann er lernen, Nähe zuzulassen; er kann gesund bleiben sich den Aufgaben des täglichen Lebens widmen, ohne vorgefertigte Einschränkungen.

Übersetzt von Ulrike Müller

Zusammenfassung

Freud beschrieb das Unbewusste als Ergebnis von Verdrängung. Neuere Forschungsergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass unbewusste Erfahrungen aus präsymbolischen, subsymbolischen, impliziten und prozeduralen Formen von Gedächtnis zusammengesetzt sein können, ebenso wie als Folge von Trauma. Im vorliegenden Artikel werden zwei entsprechende Fälle vorgestellt.

Fünf präreflektive Muster – Bindungsstil, Selbstregulierung, Beziehungsbedürfnisse, Skriptüberzeugungen und Introjekte – werden als Leitfaden für einen Behandlungsplan vorgestellt. Der vorliegende Text beschreibt eine tiefenpsychologische beziehungsorientierte Psychotherapie als geeignete Behandlung für unbewusste Erfahrungen.

Abstract

Freud defined the unconscious as a result of repression. However, recent findings in neurology and developmental psychology indicate that unconscious experience may be composed of presymbolic, subsymbolic, implicit, and procedural forms of memory, as well as being the result of trauma. In this article, preverbal, never-verbalized, unacknowledged, nonmemory, and avoided verbalization are categories of unconscious experience, used to describe two psychotherapy cases. Five prereflective patterns are suggested as a way to organize treatment planning. A relational and in-depth integrative psychotherapy is described for the treatment of unconscious experience.

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Von der Übersetzerin wird verwiesen auf:

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Tschamper Egli, J. (2004): Trauma – Entstehung, Folgen, Interventionstechniken. ZTA, Heft 2.

Richard Erskine Ph.D. leitet das Institute for Integrative Psychotherapy in New York und arbeitet regelmäßig in Europa.

Kontaktadresse: integpsych@earthlink.net



[1] Dieser Beitrag erschien 2008 im Transactional Analysis Journal 38 (2) unter dem Titel „Psychotherapy of Unconscious Experience“.

[2] Phänomenologische Psychologie (Grundannahmen gehen auf Edmund Husserl zurück.): Die Kernannahme ist die Intentionalität der Person-Umwelt-Beziehung. Intentionale Analyse ist Situationsanalyse. Verhalten ist eine sinnvolle Antwort auf eine Situation, die ihrerseits für das Subjekt Sinn hat (Anm. d. Übers.).

[3] Das bekannteste Beispiel ist die Identifikation mit dem Aggressor (Anm. d. Übers.).

[4] Da es sich um unbewusste bzw. vorbewusste Prozesse handelt, muss hier der Eltern-Ichzustand ersten Grades (EL1) im Kind (K) gemeint sein (Anm. d. Übers.).

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